Geschichte
Die Welt Mitte der 1990er Jahre
Russland und der Westen befanden sich in den 1990er Jahren in einem „Honeymoon”. Die Berliner Mauer war im November 1989 gefallen. Der Kalte Krieg war beendet. Die Marktwirtschaft hatte „gewonnen“. An der Universität Tübingen wurde zu dieser Zeit am Wirtschaftswissenschaftlichen Seminar ein neuer Studiengang mit der Bezeichnung “Volkswirtschaft mit Regionalstudien Osteuropa” eingeführt. Das neue Fach passte gut in die Zeit des wirtschaftlichen und politischen Aufbruchs.
Initiative am Wirtschaftswissenschaftlichen Seminar in Tübingen
Im Sommersemester 1996 bildete sich mit David von Lingen, Ruth Grosse, Jens Brammen, Sven Mätzschker, Daniel Rapp und Hannes Schellhorn eine Gruppe, die aus Studenten des neuen Studiengangs bestand. In der Gruppe dieser Studenten entstand Anfang 1997 die Idee, zum Abschluss ihres Studiums ein Seminar zur aktuellen Wirtschaftsentwicklung in Russland zu organisieren.
Das Dialog-Seminar im Juni 1998
Die Gruppe sprach Prof. Dr. Joachim Starbatty an, der am Wirtschaftswissenschaftlichen Seminar
der Universität Tübingen den Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik innehatte. Ihm gefiel das Konzept eines Russland-Seminars und er sagte der Gruppe seine Unterstützung zu. Das Thema des Seminars, an dem sowohl deutsche, als auch russische Studierende teilnahmen lautete zeitgemäß:
„Russland – Vom Schock zur Therapie“.
Vereinsgründung im November 1998
Der Erfolg des Dialog-Seminars veranlasste die Gruppe, über eine Vereinsgründung nachzudenken. Man wollte eine dauerhafte Struktur schaffen, um eine Veranstaltung wie das eben erlebte Seminar jedes Jahr durchführen zu können. Im Herbst 1998 wurden dafür die konkreten Schritte zur Gründung des Vereins diskutiert und eine Satzung formuliert.
Zielsetzung des Vereins
Die Zielsetzung des zu gründenden Vereins ist kurz und knapp in der Präambel dieser Satzung beschrieben:
„Der Verein soll dazu beitragen, das Verständnis der Aufgaben bei der Entwicklung demokratisch legitimierter und marktwirtschaftlich orientierter Gesellschaften zu vertiefen. Dadurch soll die Vision eines gemeinsamen Europas, das auch von Deutschland und Russland getragen wird, mit Leben erfüllt werden."
Diese Zielsetzung ist bis heute unverändert und leitet die Aktivitäten des Vereins.
Es waren die finanziellen Mittel zu beschaffen, um regelmäßig große Veranstaltungen durchzuführen zu können. Beirat und Vorstand waren sich einig, auf die private Finanzierung zu setzen, um unabhängig von staatlichen Institutionen arbeiten zu können. Insbesondere wurde auch die finanzielle Unterstützung von Parteienstiftungen abgelehnt, um von keiner Seite politisch vereinnahmt werden zu können.
Finanzierung
Higher School of Economics (HSE)
Die Verbindung zur Higher School of Economics war für die Entwicklung von dialog von sehr großer Bedeutung. Bereits im Herbst 2000 entstand um die Tübinger Sven Grählert und Benjamin Regitz in Moskau die erste dialog-Gruppe, die an der HSE eigenständig Veranstaltungen zu deutsch-russischen Wirtschaftsthemen organisierte. Die Hochschule förderte diese Aktivitäten und half wesentlich mit, dialog in Russland zu etablieren.
Die ersten Symposien des jungen Vereins
Die nächsten Symposien fanden in der Umgebung von Tübingen statt. Das mehrtätige Format bewährte sich. Bereits im Jahre 2000 entstanden die Strategietreffen im November die zur Planung und Diskussion über die Ziele des Vereins genutzt wurden.
Herausragende Redner der ersten Symposien waren unter anderem German Gref, der spätere Wirtschaftsminister und Präsident der Sberbank oder Arkady Dvorkovich, der später zum Vize-Premierminister der Russischen Föderation aufstieg und heute dem Verein als Beirat noch treu ist. Sumrud Rustamova, Staatssekretärin des russischen Privatisierungsministeriums, nahm ebenfalls an dem Symposium als Referentin teil.
Die ersten Symposien
Organisatorische Erwägungen brachten das Team der dialog-Aktiven dazu, den Veranstaltungsort von Horb nach Tübingen zu verlagern. Das 5. Symposium des dialog e.V. fand so erstmals in der Neuen Aula der Universität Tübingen statt. Sergej Molozhavy vom Ministerium für die Verwaltung des Staatsvermögens der Russischen Föderation setzte die Reihe hochrangiger russischer Referenten beim dialog-Symposium fort, diesmal zum Thema:
“Der Boden für Investitionen in Russland. Wirtschaftliche Stabilität durch Putins Reformprogramm“.
Die Satzung
In den sechs Jahren seit der Gründung hatte sich der Verein kontinuierlich weiterentwickelt. Um auch weiterhin eine so positive Entwicklung zu ermöglichen, wurde deutlich, dass die Satzung geändert werden müsse.
Das Ergebnis der Beratungen, die sich über zwei Jahre hinzogen, bestand darin, den Verein zu dezentralisieren. Entsprechend hatten die Satzungsänderungen einen erheblichen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Vereins:
-
Paritätische Besetzung des Vorstands
-
Schaffung von dialog-Regionalgruppen
-
Delegiertenprinzip bei der Entscheidungsfindung
Die Satzungsänderung von 2004 machte aus einem Tübinger Verein wahrhaftig einen deutsch-russischen Verein. Sie schaffte außerdem einen flexiblen Rahmen für die langfristige Entwicklung der Vereinsidee unabhängig von Orten und Personen.
Die Vereinskultur von dialog
Das Vereinsleben besteht aus den jährlichen Symposien für alle Mitglieder und Gäste, sowie den vielfältigen Aktivitäten in den Regionalgruppen „vor Ort“.
Um Nachteile durch den laufenden Wechsel in den Führungspositionen des Vereins zu vermeiden, gibt es eine Reihe von „ungeschriebenen Gesetzen“, die Kontinuität und Kompetenz sichern:
- Das dialog-Symposium als jährliche Hauptveranstaltung
- Die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Beirat und Vorständen
- Die Pflege des Netzwerks der Alumni
Die dialog-Vereinskultur entwickelt sich lebendig weiter, jede Generation von Aktiven Mitglieder hst ihre eigenen Schwerpunkte und Interessen. Grundlage dafür, dass alle den Spaß an der Sache behalten, ist gegenseitiger Respekt. Dazu gehört ein höflicher Umgang miteinander, ebenso wie die Bereitschaft zur Akzeptanz unterschiedlicher Ansichten.
Zweites Jahrzehnt und Ausblick
Der dialog e.V. ist als private Initiative von Studierenden und jungen Berufstätigen frei von staatlichem Einfluss entstanden und - was selbst die Gründerinnen und Gründer kaum für möglich gehalten hatten – nach zwei Jahrzehnten immer noch so lebendig wie zur Zeit der Gründung. In wenigen Jahren kann der Verein auf ein Vierteljahrhundert zurückblicken, in dem viel passiert, die Vereinsidee aber aktuell geblieben ist.